Mein Ding, Foto Hubert M. Gloss |
Das Frankfurter Wasserhäuschen geht jetzt vom Tresen ins Internet. Vielleicht bleibt es dort sogar länger. Auf Frankfurter Straßen und Plätzen werden es weniger. Hier soll immer wieder ein neues hinzu kommen, immer als Würdigung. Also werden hier Geschichten geschrieben, immer als reiner Tatsachenbericht, wissenschaftlichst fundiert. Wers nicht im Blog lesen will, kann auch ans Häuschen gehen. Die Adresse steht immer dabei.
Donnerstag, 26. April 2012
Wasserhäuschen, Ernst May Platz
Ernst May der Stadtplaner, in Frankfurt
war er sogar Dezernent, hat diesem Ort, dem Platz seinen Namen
gegeben. Dort, in die Ernst May Siedlung gelangt man zum Beispiel mit
der Straßenbahn 14 von der Wittelsbacher Allee kommend und fährt
auf ein Gebäude: „Ihr Tante Emma Laden in Bornheim“ verkauft
Lebensmittel an alle, die nicht den Kilometer zum nächsten größeren
Markt laufen wollen oder können. Die Bahn wendet dann in einer
Schleife. Dort steht das „Wasserhäuschen“.
Ich sage hier bewusst und wiederhole
nochmal in aller Deutlichkeit, es ist DAS „Wasserhäuschen“. Herr
Malik, der Betreiber musste, um den Namen behalten zu dürfen in
jenes Gebäude, wo Richter das letzte Wort haben. Ich vermute, er
plädierte auf schützenswertes Kulturgut.
Nur hier am „Wasserhäuschen“
schmückt man sich mit diesem Werbeschild. Es steht beleuchtet als
Werbeschild zwischen beworbenen Bieremblemen auf dem Dach, das von
zwei braunen Stahlsäulen getragenen ist.
Es versteckt sich ein bisschen, das
Wasserhäuschen. Hinter beweglichen Wänden von Zeitungen,
Facharztromanen und Rätselspaß, stehen wir „zwischen Pilawa,
Katzenberger und Muschis.“ Drei Zugänge habe ich gesehen. An
zweien stehen Tische, auf ihnen stellen Gäste auch schon mal
Flaschen ab, die ich beim Betreten der Wagenburg Wasserhäuschen erst
mal abräume und so ganz besondere Freundschaften mit der Kundschaft
schließe. In einer Bar würden die Gäste ihre Flaschen auf den
Tresen stellen, aber in einer Bar liegen dort keine Zeitungen. In
einer Bar würde der Gast sich auch nicht am Aufräumen beteiligen -
gekonnt landen die mit Luft gefüllten Flaschen in der blauen Box.
Der Kaffeeverkauf wird durch an die Zeitungswände angebrachte
Plastikwerbetafeln angekurbelt und gleichzeitig so die Zeitungen vor
himmlischen Wassereinfluss geschützt. Der Verkäufer ist überzeugt:
„Meine Bildzeitung ist die Beste!“
Die Litfasssäule am „Wasserhäuschen“
dreht sich nicht, sie wird auch noch beklebt. Vom Führerhaus der auf
neue Kundschaft an dieser Endstation der Linie 14 wartenden
Straßenbahn zum Wasser lassen, braucht der Fahrer geschätzte 15
Schritte, zum Häuschen sind es dreizehn. Der Tresen liegt klar
vorne. Dennoch ziehts die Chauffeure erst in die
Porzellanausstellung. Für bessere Bilder entert der Fotograf die
Bahn, bei dem Einsatz besteht jeder auf dem Recht des Urhebers.
Hinter dem Häuschen hängt eine
Schaukel, der Sitz geschätzte drei Meter hoch, das wäre doch was
für den Fotografen. Vorbei mit dem Blick zum Ernst May Haus wieder
an den Tresen werden Bestellungen aufgegeben: „Gib mir ein Bier,
nicht gefroren, nicht am Stil, aber kühl.“
Ernst May Platz, Öffnungszeiten Mo-Fr. 7-22 Uhr, am Wochenende etwas später
Samstag, 21. April 2012
Heidruns Trinkstübchen
Im Winkel von zwei sich kreuzenden Straßenbahnlinien im täglichen Minutentakt, unter drei Platanen und einer rotierenden Litfasssäule, zwischen Haltestelle und Fußgängerampel liegt Heidruns Trinkstübchen. Wenn Vater und Sohn, wenn die beiden Betreiber aus dem Kiosk über den Tresen Kaffee, Bier oder Zeitungen gegen Scheine und Münzen tauschen, könnten sie die Fahrt der 14 entlang der Wittelsbacher verfolgen.
Dabei sollten sie aber nicht träumend auf dem Tresen verharren, denn erstens würden dann die darauf liegenden Brötchen zerdrückt und zweitens würden sie Kalles Auftritt verpassen. Kalle spielt nicht im Nebenraum Lotto. Ihn interessiert auch erst mal nicht die auch auf dem Tresen neben dem Zucker liegende Bildzeitung. Kalle hat einen Helm auf, Kalle trägt Leder, Kalle hat einen Vollbart und Kalle hat ein Motorrad, ein rotes, ein großes. Aufkleber sind darauf, sein Helm ist schwarz beschriftet „PD“ - Policedepartment. Kalle fährt nicht Motorrad, Kalle patrouilliert auf der Straße und kann sich noch heute an einen selten genutzten altdeutschen Gruß erinnern.
Auf einem alten Zeitungsfoto von Heidruns Trinkstube erkennt Kalle Blondie. Blondie stand auf dem Bild am Tresen, Blondie ist heute tot, von den anderen hört man heute auch nichts mehr. „He Beppo!“ „Ja?“ „Ein Seemann kommt neu aufs Schiff“ „Und?“ „Sagt der andere: «Von Montag bis Samstag kannste hier ficken» «Was iss am Sonntag?» «An Sonntag, an Sonntag, stehst Du inner Kiste.»“
„Der Kalle hat ein Wappen für Heidrun entworfen, da oben hing es, jetzt isses weg.“ Das goldene Gitter der Trinkhalle ist noch da, es ist gut verankert. Handarbeit und Einzelstück, sowas gibt’s nicht noch mal in Frankfurt. Während Hubert, der Fotograf, auf den richtigen Moment wartet, warten auf die Straßenbahn, warten auf die Wolke, Fotografieren hat was Meditatives, patrouilliere auch ich, um die Trinkhalle: Ein Kondom- und Toyautomat zeugt davon, dass Sex an Trinkhallen mehr ist, als die St. Pauli Nachrichten. Jede Wand der Trinkhalle bietet nützliches, Bierbänke, Werbetafeln für Kulturprodukte, weitere Türen.
Die Straßenbahn kommt, wie auch das Licht zum Fotografen, „Auf Kalle! Da kann man schon mal das Motorrad zeigen!“ Der Moment wird festgehalten. Warum müssen Fotografen eigentlich immer so komische Körperbewegungen machen, wenn sie einen Apparat in der Hand halten?
Heidruns Trinkstübchen, Frankfurt am Main, auf der Kreuzung von Saalburgallee / Wittelsbacher Straße, Öffnungszeiten täglich 6-23 Uhr
Heidruns Trinkstübchen, Frankfurt am Main, auf der Kreuzung von Saalburgallee / Wittelsbacher Straße, Öffnungszeiten täglich 6-23 Uhr
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